Die Haftbefehl-Doku
Shownotes
In dieser Folge sprechen Jule und Sascha über die neue Haftbefehl-Doku – und darüber, warum sie viel mehr ist als nur ein Film über einen Rapper. Es geht um Aufstieg und Absturz, um Sucht, Trauma und den Preis des Erfolgs. Welche Verantwortung tragen Künstler, Medien und die Musikindustrie? Und was bedeutet es, wenn eine ganze Generation ihre Helden in Menschen sieht, die selbst kaum Halt finden? Ein Gespräch über Deutschrap, Drogen, Familie – und die Frage, wie viel Wahrheit wir wirklich ertragen können.
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00:00:02: Hallo Leute, schön es ihr einschaltet zu einer neuen Folge von FehldeNews, was Deutschland bewegt.
00:00:06: Wir sprechen jede Woche über Themen, die uns bewegen, zu Hause am Abendbrot-Tisch mit der Familie, mit Freundinnen, mit Arbeitskolleginnen und einfach als Ehepaar.
00:00:14: Diese Woche gab es ganz ehrlich zwei Themen, die so Kopf an Kopf waren.
00:00:18: Wir waren letzte Woche in New York und haben da sehr hautnah die Bürgermeisterwahl mitbekommen.
00:00:22: Es ist inzwischen klar, dass Sohan Mamdani, der neuer Bürgermeister von New York ist, Dieses Thema ist so groß, dass wir uns entschieden haben, diese Woche noch eine Sonderfolge über dieses Thema zu machen, bisschen von unseren New York-Eindrücken erzählen, aber vor allem zu erzählen, warum dieses Wahlergebnis so bahnbrechend ist.
00:00:39: Heute soll es aber um ein Ereignis gehen, mit dem wir uns in New York viel beschäftigt haben, weil wir die Haftbefeeldoku in New York gesehen haben.
00:00:46: Und darüber dann wirklich auch so weg von den Kindern und von so dem üblichen Arbeitstruppel viel diskutiert haben.
00:00:53: Und ich freue mich, dass wir heute da mal ausführlicher drüber reden.
00:00:56: Es ist ja ganz aktuell, was für mich auch so ein bisschen da reinzählt, aber dazu später mehr noch diese Nachricht rumgegangen, dass in Berlin Schüsse auf das Büro der bekanntesten Deutschrapperin aktuell ... und zwar das Büro von Shirin David gab und auch darüber wollen wir heute sprechen, weil ich schon die letzte Woche bei all den Diskussionen um die Haftbefehldoku immer wieder das Gefühl hatte, dass es sehr losgelöst ist von der Rap-Welt, in die ich sehr lange tiefe Einblicke hatte und deswegen vielleicht da ein bisschen... empathischer drauf geblickt habe als andere.
00:01:30: Ich habe diese Woche sehr viele Urteile gehört.
00:01:32: Falls ihr jetzt noch nicht genug Text dazu gehört habt, dann seid ihr hier extrem richtig, Leute.
00:01:36: Schön, dass ihr eingeschaltet habt.
00:01:37: Let's go.
00:01:38: Warum machen wir diese Sendung?
00:01:40: Der Hauptgrund ist tatsächlich das Haftbefehl.
00:01:44: Man kann ihn eigentlich nur als Ikone betrachten, vor allem aus migrantischer Perspektive in Deutschland.
00:01:49: Immer eine Erfolgsstory gewesen, an die sich sehr, sehr viele Menschen orientiert haben.
00:01:52: Unter anderem deswegen, weil diese Bühnenpersonen Haft Befehl auf so vielen Ebenen erfolgreich ist, jetzt nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch als Figur, die bis hin in die Schule zitiert worden ist.
00:02:04: Übrigens genau darüber gibt es jetzt auch eine Debatte, ob die Dokuteil des Unterrichts werden sollte.
00:02:09: In Offenbach, der Stadt, in der Haftbefehl aufgewachsen ist, wird das vom Schülerrat gefordert.
00:02:19: Ja, Sascha, ich habe, ich weiß nicht ... Ich sage das jetzt einfach einmal kurz dazu, weil ich heute sehr viel über diese Szene sprechen werde.
00:02:25: Ich habe eigentlich meine mediale Karriere mit Deutschrap begonnen.
00:02:29: Ich habe jahrelang Deutschrap-Interviews geführt, hatte beim Bayerischen Rundfunk mit Falk Schach zusammen über Jahre einen Deutschrap-Podcast, wo ich mich wöchentlich stundenlang mit Deutschrap befasst habe.
00:02:40: Und deswegen kenne ich viele Rapperinnen und Rapper, Menschen aus der Szene und hatte einfach jahrelang einen sehr tiefen Einblick in Konzerte, Festivals.
00:02:49: Das, was man eben gerade als die Musikindustrie bezeichnen würde.
00:02:54: Als ich gesehen habe, dass diese Haftbefehl Doku rauskam, da waren wir gerade in New York, habe ich zu dir gesagt, ich fänds und ich mach das selten, weil ich weiß, das ist nicht deine Musik.
00:03:05: Ich zwinge dich jetzt nicht dazu, irgendwie wichtige Deutschrap-Alben zu hören oder so.
00:03:09: Aber da habe ich so einen Joker gezogen und meinte, ich will, dass wir uns die Doku zusammen ansehen.
00:03:13: Es ist mir wichtig, dass du einen Blick darauf bekommst.
00:03:16: So jetzt für die Sendung heute überlegt habe, warum mir das so wichtig ist, möchte ich einmal kurz über diese besondere Stellung von Haftbefehl im Deutschrap sprechen.
00:03:24: Und du hast es gerade schon gesagt, das ist für viele Migras einfach... Die zentrale Person, weil er das zentrale Erfolgsversprechen von man kann es schaffen in Deutschland ist.
00:03:35: Super eigener Flow, super eigene Texte.
00:03:38: Gar nicht angelehnt an irgendwas Amerikanisches, sondern, ehrlich gesagt, eine total migrantische Perspektive auf Kunst, Deutschland, alles.
00:03:47: Und er hat es geschafft.
00:03:48: Und er hat so sehr geschafft, dass viele sagen würden, der Haftbefehl ist der deutsche Kendrick Lamar.
00:03:54: Haftbefehl ist die eine Person, auf die sich die meisten Menschen einigen können.
00:03:58: Und der ist die Person ... Ich möchte dir wirklich sagen, wenn man in Deutschrap-Kreisen unterwegs ist, das wird im Club gespielt und die Menschen rasten aus, das wird an der Uni gespielt, als in meinem Jurastudium waren so viele Mikras.
00:04:10: Für die war es Haftbefehl ein absoluter Gott.
00:04:13: Es wird überall gespielt und die Menschen können sich darauf einigen.
00:04:16: Das ist so die Wichtigkeit von Haftbefehl in der Szene, aber ich würde auch sagen außerhalb.
00:04:21: Ich glaub, dir war Haftbefehl jetzt schon auch davor irgendwie ein Begriff, oder?
00:04:26: Ich hab Haftbefehl kennengelernt über soziale Medien und ... über eine, wie ich damals fand, sehr eigenartige, aber auf jeden Fall interessante Art der Vorwärtsverteidigung.
00:04:37: Kraftbefehl war häufiger in Diskussionen auch von großen redaktionellen Medien.
00:04:42: Anfang der zehner Jahre ging das so, wie ich das mitbekommen habe, los.
00:04:46: Und er wurde immer wieder von intellektuellen Menschen mit Migrationshintergrund auf eine Weise verteidigt, die ich spannend fand, weil ... diese vielfältigen Ebenen für die Haftbefehlstand und auch immer noch steht, weil die ganz offensichtlich, das ist eben schon angedeutet, irgendwo zwischen Straße und Professoranlandschaft Widerhall gefunden haben.
00:05:07: Damit können sich so viele Menschen identifizieren, weil er eben clevere Texte, die trotzdem Kunst tiefer haben in ganz vielen Bereichen, bis hin in die FAZ-Völgetons zu schaffen.
00:05:20: nicht nur nicht selbstverständlich, sondern wenn man, wie ich das weiß, wie viele migrantisch geprägte Personen in Deutschland kaum echte Vorbilder hat, also ein sehr, sehr begrenztes Reservoir aus Leuten, zu denen man aufblicken kann, wo man denkt, da kann man es schaffen.
00:05:37: Die haben es geschafft, das ist eine Vorbildfunktion.
00:05:40: Wenn das also der Fall ist, dann trifft Haftbefehl da auf ganz vielen Ebenen zu.
00:05:44: Und ich glaube, diese Verteidigung damals in sozialen Medien, wo ich plötzlich das auf Twitter damals gesehen hoch, Warum?
00:05:49: Das ist ein Deutschrapper.
00:05:51: Wieso wird der jetzt so verteidigt von Leuten, die eigentlich nichts mit ihm zu tun haben könnten, sollten, wollten?
00:05:56: Das fand ich wahnsinnig spannend und es deutet genau auf den Punkt, den du gerade beschrieben hast.
00:05:59: Vielleicht ganz kurz, weil es ganz interessant ist.
00:06:01: zu den Hintergründen der Doku, falls ihr jetzt nicht gesehen habt, um was es in der Doku geht oder wer die gemacht hat, möchte ich euch das nochmal ganz kurz einen kleinen Rap abgeben.
00:06:10: wurde produziert von Elias M. Barak und mit Regisseur war unter anderem Juan Moreno.
00:06:16: Juan Moreno ist ganz interessant, Journalist beim Spiegel gewesen, sehr lange, der damals im Spiegel, falls ihr das nicht mitbekommen habt, den Klasrelocios-Fall komplett hat explodieren lassen.
00:06:28: Klasrelocios war ein Journalist, der für den Spiegel regelmäßig geschrieben hat und Juan Moreno hat aufgedeckt, selbst beim Spiegel erarbeitend.
00:06:36: dass Glasrelocius große Teile seiner Artikel freier funden hat.
00:06:41: Das war ein Riesen-Rambazamba damals im Spiegel.
00:06:44: Dazu kannst du ja uns vielleicht gleich noch was sagen.
00:06:46: Aber ich fand es ganz interessant, dass du meintest beim Schauen, dass du verstehst, warum einzelne Passagen drin sind, weil du weißt, wie Juan Moreno arbeitet.
00:06:55: Wenn wir über diese Doku sprechen, dann würde ich sagen, mein Haupteindruck von dieser Doku ist, die über Jahrzehnte andauern der Kokain-Sucht von Haftbefehl.
00:07:06: Man denkt, am Anfang ist das eine autobiografische Dokumentation.
00:07:09: Netflix erzählt gern diese Heldengeschichten.
00:07:12: Ich kam von nichts und jetzt bin ich was.
00:07:14: Das ist eigentlich der Classic Netflix-Plot Twist bei diesen autobiografischen Dokus.
00:07:20: Diese Doku funktioniert völlig anders, weil man eigentlich sieht, dass da eine Person, ich hab teilweise, ich hab zu dir gesagt, das ist die Ankündigung seines Todes.
00:07:29: Diese Doku ist ... der Vorruf auf den Nachruf, der passieren wird, weil der das nicht überleben wird.
00:07:35: Es ist so schlimm, teilweise diese Bilder zu sehen, wie zerstört dieser Mensch über jahrzehntelang harten Drogenkonsum ist, wie zerstört das Umfeld, die Familie, die Industrie.
00:07:48: Eigentlich alles um ihn ist zerstört durch diese Sucht.
00:07:54: Und da ist plötzlich eine Geschichte, die echt ist, aber eben nicht ... in Heldengeschichte ist.
00:08:01: Oder vielleicht doch?
00:08:02: darüber möchte ich heute mit dir sprechen.
00:08:03: Ja, das ist genau schon gleich der Blick auf diese Dokumentation, die sich tatsächlich lohnt.
00:08:07: Und das sage ich als jemand, der in seinem Leben ungefähr Null Komma Acht Musikdokumentationen gesehen hat, weil ich das eigentlich nicht mag.
00:08:15: Das mochte ich sehr, ich mochte diesen Film sehr.
00:08:18: Dieser ganz kurze Juan Moreno-Blick da drauf, der hängt damit zusammen und im Guten wie im Schlechten, kann man sagen, denn man kann diese Dokumentation differenziert betrachten.
00:08:27: Sie ist zum einen wahnsinnig gut gelungen, weil sie interessant ist auch für Leute, die überhaupt nichts mit der Person oder der Musik anfangen können.
00:08:34: Das ist ein Kunst.
00:08:35: Und diese Kunst, die kann man deswegen in Positiven wie im Negativen in dieser Dokumentation sehen, die übrigens in der ersten Woche vier Millionen Menschen gesehen haben.
00:08:42: Das ist eine absolute große Zahl.
00:08:45: Das kann man deswegen aus Moreno-Sicht differenziert betrachten, weil es so klar ist, da ist keine Zeile gelogen in Anführungszeichen, da ist nichts drin, was eigens für den Film inszeniert ist.
00:08:57: Aber wie er zusammengestellt ist, was zusammengeschnitten ist, was weggelassen wurde, was betont wurde, zum Beispiel dadurch, dass mehrere Leute hintereinander was Ähnliches sagen, das ist so ein Stilmittel in der Dokumentation, wo du Dinge betonen kannst und ohne dass du irgendwas dazu dicht ist, das ist sehr eindeutig ein Narrativ.
00:09:13: Also das, was man durchaus differenziert betrachten kann, was Juan Moreno hier gelungen ist, zusammen mit dem Mitregisseur und Autor Sinan Sivins.
00:09:21: Das ist diese Betonung der Echtheit.
00:09:24: Das ist sogar im Film selbst passiert es so.
00:09:27: Man hört, wie das gesagt wird.
00:09:29: Und das Krasse daran ist, dass Juan Moreno das quasi als Lebensaufgabe beschlachtet.
00:09:35: Er hat diesen Sklaasrelocios, den Skandal maßgeblich aufgedeckt, unter größter eigener Gefahr für den Job.
00:09:43: Klassrelocius, wahnsinnig häufig ausgezeichneter Autor, beim Spiegel, wahnsinnig viele Preise bekommen.
00:09:50: Und dann sagt ein Migratyp, der auch für den Spiegel frei arbeitet, das ist falsch.
00:09:56: Der lügt.
00:09:57: Der lügt.
00:09:58: Und natürlich wird ihm im Spiegel erst mal nicht in der Weise geglaubt, sondern er entscheidet sich irgendwann dafür, dem eigenen Wahrheits- und Realitätsempfinden zu folgen und nicht der ganz einfachen Spur, die die allermeisten anderen Menschen gewählt hätten, nämlich zu sagen, es kann sein, dass es nicht echt ist.
00:10:18: Schwamm drüber.
00:10:19: Es ist viel zu große Bedrohung für meinen wichtigsten Job beim Spiegel, da jetzt drauf zu behachen und zu sagen, nein, das ist falsch.
00:10:25: Ich weiß, das ist falsch.
00:10:26: Ihr müsst versuchen, das nachzuvollziehen.
00:10:28: Und dieser unbedingte Wunsch ... Das zu zeigen, ist die eine Seite.
00:10:32: Und die andere Seite ist aber auch gleichzeitig der Wunsch, eine Inszenierung herzustellen, so dass es interessant ist.
00:10:37: Und das ist super schwer.
00:10:39: Es ist hier gelungen, wie ich sagen würde, mit Höhen und Tiefen.
00:10:42: Höchste Qualität, völlig eindeutig.
00:10:44: Aber in der Wirkung, da reden wir später auch noch drüber, Jule, kann man das durchaus differenziert betrachten.
00:10:49: Was mich, glaube ich, so traurig gemacht hat an dieser Doku ist und obwohl ich keinen Migrationshintergrund habe, das konnte ich im Deutschrap, also so empathisch kann man auch sein.
00:10:57: Deswegen finde ich auch diese ganze Diskussion, um wer darf jetzt hier mitreden und wer nicht.
00:11:01: Ich finde, man kann auch, wenn man das nicht selbst erlebt hat, eine gewisse Empathie haben.
00:11:05: Und ich hatte immer eine gewisse Empathie für dieses Erfolgsversprechen.
00:11:10: Wenn Menschen berichten darüber, dass ihren Vorbilder fehlen, dass sie nicht wirklich glauben, hier in diesem Land eine tatsächliche Chance zu haben, weil sie zwischen Erben und zwischen irgendwelchen Akademikerkindern groß geworden sind und sehen, wie andere durchkommen und sie selbst nicht, dann ist so eine Symbolfigur wie Haftbefehl essenziell.
00:11:29: Das Schlimme an dieser Doku ist, finde ich, dass ich mich danach gefragt habe, wie ehrlich ist dieses Erfolgsversprechen, wenn man die Person, die für dieses Erfolgsversprechen sieht, da stehen sieht und realisiert, dass sie wahrscheinlich mit ihm Leben zahlen muss, wenn es so weitergeht.
00:11:46: direkt daran angeknüpft, die Frage auf die Doku bezogen.
00:11:49: Da würde mich deine Haltung interessieren, wäre es die Verantwortung vom Regisseur, vom Autor, das so zu zeigen, dass es eben nicht, wie du sagst, der vorweggenommene Nachruf oder die Vorbereitung des Nachrufs ist?
00:12:03: Das finde ich nicht.
00:12:05: Ich habe diese Woche viele Forderungen gesehen, dass es in der Schule gezeigt werden sollte.
00:12:09: Das finde ich auch nicht.
00:12:10: Ich finde, man braucht bei diesem Thema extrem viel Ambiguitätstoleranz, weil ich glaube, Es ist nicht so schwarz und weiß, ich habe viele Lager gesehen, die haben die eine Seite komplett verteufelt und die andere Seite komplett gelobt.
00:12:22: Ich glaube, dass man ganz viel hier zwischen den Tönen lesen und akzeptieren muss.
00:12:27: Und ich glaube, eine dieser Akzeptanzebenen ist Juan Moreno und die Menschen um ihn rum, haben sich entschieden zu sagen, was ist.
00:12:35: Das was ist, ist aber nicht gut.
00:12:37: Da ist jemand, der hat ein hartes Drogenproblem, der hat ... große Teile seiner Familie vollkommen traumatisiert und zerstört.
00:12:44: Wir wissen noch nicht, wie es irgendwie den kleinen Kindern damit geht.
00:12:47: Aber die ganze Doku erzählt die Geschichte von einem Mann, der mal ein Kind war und all das macht, weil er als Kind verletzt worden ist und weil er eine traumatische Kindheit hatte.
00:12:58: Und ich finde, das ist ein Take, den muss man empathischerweise sehen.
00:13:05: Weil die Kinder von ihm in dieser Doku vorkommen, die Frau trennen über Stromtasitz und sagt, ich gehe dann allein in Urlaub.
00:13:10: Ich weiß dann halt nicht, wann er kommt, wie er drauf ist, wenn er kommt.
00:13:14: Teilweise sieht man ihn so zerstört mit diesen Kindern, dass ich sagen würde, ich finde es mutig, so sehr zu zeigen, was da ist.
00:13:25: Wahrscheinlich hat sich niemand von den Machern diese Doku am Anfang so vorgestellt.
00:13:29: Wahrscheinlich hätte man lieber Lust gehabt, eine Erfolgsgeschichte und eine hellen Geschichte zu erzählen.
00:13:34: Und die ist es in großen Teilen.
00:13:36: Aber da ist jetzt ein Chapter dabei, das da nicht mehr drauf einzahlt.
00:13:40: Und ich würde gerne mit dir über Schuldzuweisungen reden, weil ich diese Woche ganz viele Schuldzuweisungen gelesen hab.
00:13:45: Ich hab zum einen ganz viele Takes gehört.
00:13:48: Ehrlich gesagt eher von so Wohlstandskids.
00:13:51: Die meinten ... die Musikindustrie sei schuld.
00:13:55: Das ist die böse Musikindustrie.
00:13:57: Er ist eigentlich das Opfer der Musikindustrie.
00:13:59: Und ich weiß nicht, ob die eine andere Doku als ich gesehen haben.
00:14:03: Aber in dieser Doku tritt irgendwie ein Max-Mönster von Universal auf und sagt, hey, es ist halt so lang lustig, bis es halt nicht mehr lustig ist.
00:14:11: Da ist irgendwie Nefi Temur, der sagt, ich bin damals dann in das Hotel gegangen.
00:14:15: Nicht als Musikindustrie-Mensch, sondern als Freund.
00:14:19: Als Freund.
00:14:20: Der sagt, ich verlasse dieses Hotel nicht bis zu runterkommen.
00:14:23: So bist du mir zeigst, dass es dir gut geht.
00:14:26: All das finde ich menschliche Beziehungen, die ich da gesehen habe, von denen ich mir dachte, die sind so weit weg von einem Business-Kontakt und von einer kalten Musikindustrie, die hier in Künstler irgendwie ausbrennt.
00:14:39: Dass ich das zu einfach finde, auch wenn ich jetzt nicht alle frei von Verantwortung sprechen will, trotzdem finde ich das in der Logik schwierig zu sagen.
00:14:48: Gerade diese Musikindustrie hat ja erst mal grundsätzlich für dieses Erfolgsversprechen gesorgt.
00:14:53: Also, er war ja auch so lang so ein großer Teil, weil er eben mit Majors zusammengearbeitet hat und die ihn groß gemacht haben.
00:15:02: Jetzt gibt es sicherlich so ein moralisches Dilemma.
00:15:05: Ab welchem Punkt muss man dann aber sagen, so geht's halt nicht.
00:15:08: Aber als die Person, die jahrelang mit Rappern zusammengearbeitet hat, fand ich das so weit weg von der Realität, weil das Rap-Business einfach keinen.
00:15:18: Es ist inzwischen so groß und erfolgreich wie Pop.
00:15:20: Es ist aber kein Pop.
00:15:21: Da geht es wirklich um Untergrund, Mafia, Rücken.
00:15:28: Es sind Themen, die sich schon, finde ich, vier auch in einem nicht legalen Bereich bewegen.
00:15:35: Und wenn man Teil dieser Szene sein will, muss man in irgendeiner Form damit klarkommen, weil es gibt keine Rapper, die damit nichts zu tun haben.
00:15:47: wenig Rapper.
00:15:48: Was ich ganz interessant fand, war ein kurzer Artikel im Spiegel über dieses Thema, wo gesprochen wurde.
00:15:54: Ich zitiere aus dem Spiegel etwas, was bei mir ganz genau so war.
00:15:57: Du hast den Bericht gerade gesagt, Beschützer in der Rap-Szene offenbar Rücken genannt.
00:16:02: Das ist ein Zitat aus dem Spiegel.
00:16:04: Aktuelle Zeit genannte ich das Zitat.
00:16:06: Rücken hast du gerade so gedroppt wie so ein Wort, das man eigentlich kennen muss.
00:16:08: Ich kannte es nicht.
00:16:09: Der Spiegel offensichtlich auch nicht.
00:16:10: Was ist denn Rücken?
00:16:11: Wow,
00:16:11: ich hoffe für mich, wie jetzt welchen im Zweihundert hier irgendwo herratet gerade Naya Kekke.
00:16:17: Rücken bedeutet, es ist so lustig, weil man ganz lange davon in so einer Art gesprochen hat.
00:16:24: Ich glaube, dass es so über Bushido und Arafat groß geworden, Arafat Abu-Chaka klaren Mitglied in Berlin, der Bushido über Jahre geschützt hat und damit sein Rücken war.
00:16:37: Aber Bushido eben deswegen auch beträchtliche Summen abgeben musste.
00:16:40: Das Geld würde man dann dazu sagen.
00:16:42: Man würde über Schutzgeld sprechen, aber es geht nicht nur um Geld, sondern es geht tatsächlich auch um körperlichen Schutz, um wenn jemand gegen jemand anderen was sagt, was in Deutschland permanent passiert, dann hat man eine Crew hinter sich, die im Zweifel nachts ins Auto steigt und eben irgendwo hinfährt.
00:17:00: Um was auch immer zu tun.
00:17:02: Diese Geschichten, die sich nach Gangster-Geschichten aus New York aus den Zwanzigern anhören, das sind tatsächlich bestehende Geschichten, mit denen man im Deutschrap zu tun hat, selbst wenn man nur am Rande steht.
00:17:15: Ich als Journalistin hatte permanent mit diesen Geschichten zu tun.
00:17:18: Wurde permanent von Leuten angeschrieben, bedroht, hoffiert alles, die denken, man macht damit.
00:17:25: Und ein Stück weit muss man sogar mitmachen, weil man nur so an Interviews rankommt, weil diese Szene einfach so funktioniert.
00:17:30: Und ich find's zu einfach, zu sagen, die böse Musikindustrie ist schuld.
00:17:34: Weil ich schon glaube, dass man auch in der Dokumention gesehen hat, den ist Haftbefehl oder Eikot nicht egal.
00:17:42: Die ist scheiß nicht auf alles.
00:17:45: gesprochen von den Schuldzuweisungen und ich habe das wurde mir zufällig eingeblendet, auch in Real gesehen, wo es um die böse Musikindustrie ging.
00:17:53: Die ganze Perspektive, du hast vorher so einen von weiß-deutsche Bildungskitz gesprochen, die ist so eine verkürzte Kapitalismus-Kritik, wo dann immer die böse Musikindustrie schuld ist.
00:18:05: Das gibt's in ganz vielen Bereichen.
00:18:06: Im Zweifel kann man gegen große Unternehmen immer sagen, dass sie alle böse sind.
00:18:09: Und ich möchte die Musikindustrie in Toto nicht in Schutz nehmen.
00:18:12: Ich hab mich intensiv zum Beispiel damit beschäftigt, als es quasi in Sachen Internet um sowas ging wie in anfänglichem Raubkopien, Filesharing als die Musikindustrie sehr offensiv und aggressiv gegen bestimmte Freiheitsaspekte des Internets gearbeitet hat.
00:18:28: Mit vielen Leuten aus der Musikindustrie gesprochen über diesen technischen Aspekt.
00:18:31: Aber was sehr deutlich geworden ist, auch durch die Doku, ist, dass ab einem bestimmten Punkt ist die Musikindustrie für so einen Künstler wie Haftbefehl nicht mehr die böse Musikindustrie, der würde mit einem Fingerschnipsen zu jeder Plattenfirma des Planeten gegangen sein.
00:18:49: Er hätte ein eigenes Label aufmachen können.
00:18:50: Das hätte er zwei Jahre später teuer verkaufen können an noch ein anderes Major Label.
00:18:55: In einer bestimmten Weise muss man sagen, oberhalb einer bestimmten Erfolgsschwelle ist die Musikindustrie, wie böse sie auch seinen Markt gegen kleine Künstler innen, was es ganz viele Nachweise gibt, dass sie sich nicht fair verhält.
00:19:05: Bin ich total dabei.
00:19:07: Ab einer bestimmten Erfolgsschwelle ist das halt nicht mehr die Boshaftigkeit der bösen Industriemagnate, die hier nur den armen kleinen Haftbefehl dazu gebracht haben, Kokain zu konsumieren.
00:19:19: Immer aufregt bei solchen Sachen ist, es wird in Deutschrap ein Maßstab angewandt, der in allen anderen Bereichen nicht angewandt wird, obwohl Deutschrap einfach auch eine Kunstform ist.
00:19:27: Wenn man sich aber andere Kunstbereiche ansieht, beispielsweise andere Musikshore, aber ich würde es auch sagen, bildende Kunst, ETA Hoffmann, ein Literat, der bekannt war für seinen exzessiven Alkoholkonsum, der teilweise neben seine Texte Weinflaschen hingemalt hat, unter wie viel Weinflaschen-Einfluss der Texte geschrieben hat.
00:19:48: Dieser Autor wird bis heute auch in seiner Genialität und in diesem Ganzen, dann ist er auf solche Texte gekommen, obwohl er im kompletten Vollsuffa, das wird in der Weise romantisiert.
00:19:59: Und ich würde auch sagen, dass Drogen und Kunst in der Weise romantisiert werden, wenn die Kunst nur gut genug ist.
00:20:04: Wo es mich ein bisschen wütend macht, wenn man jetzt bei Deutschland plötzlich sagt, also wenn es bei Haftbefehl ist, ist es ein Junkie, aber ETA Hoffmann ist der von Genialität strotzende Leichtes Alkoholproblem, habende große Schreiberling.
00:20:19: Das ist, das funktioniert für mich nicht, wenn es nicht auf alle Genres funktioniert.
00:20:25: Und ich hab jetzt nicht so viel Einblick in andere Kunstgenre, aber ich kenne zumindest ein paar Geschichten aus Berlin, auch von Schauspielerinnen oder so, wo man jahrelang, und zum Beispiel ja bei Til Schweiger öffentlich bekannt gewesen, dass man den im größten Delirium noch hat Filme drehen lassen, bis es irgendwann nicht mehr gut ging, weil man eben gesagt hat, das braucht er eben, es ist doch okay.
00:20:43: Ich würde da aber einen Unterschied machen, weil strukturell bin ich total bei dir diesem Argument.
00:20:48: Den Unterschied, den ich schon sehe, der auch in der Dokumentation, finde ich, eine Rolle spielen sollte.
00:20:54: Da können wir uns darüber unterhalten.
00:20:56: A, wer ist die Zielgruppe?
00:20:59: Sind das vierzehnjährige Kids, die eine andere Wahrnehmung, eine andere Interpretation haben, von dem, was nachabendswert ist, von erstrehmenswert?
00:21:06: Oder sind es irgendwie ... zweiundfünfzigjährige Menschen, die mit Bildungs-Hintergrund lesen und die vielleicht abstrahieren können?
00:21:13: Machst du jetzt nicht gerade genau den Videogame-Fehler, den man jahrelang der Jugend vorgeworfen hat, und zwar alle, die Killerspieler spielen, bringen am Ende zu School-Shootern?
00:21:24: Ich habe meine ganze Jugend über wirklich hart gewaltverherrlichende, teilweise sexistische Texte gehört und bin trotzdem eine Feministin geworden, die jetzt noch nie straffällig wurde aufgrund von irgendwelchen körperlichen Auseinandersetzungen.
00:21:36: Man kann ja einer Jugend zugestehen, vor allem der Jugend, für die Drogen und Drogenmissbrauch ein Thema ist, weil sie vielleicht in Familien aufwachsen, wo das ein Thema ist, in Umfeldern sind, wo das ein Thema ist.
00:21:47: kann man denen nicht zugestehen, dass die so eine Doku sehen.
00:21:49: Ich würde sie auch nicht als Pflichtdoku in der Schule einführen, hab ich vorhin schon gesagt.
00:21:52: Und trotzdem, finde ich, man kann die in einem Fünfzehnjährigen zeigen, wenn da jemand vielleicht sogar zu sehr auf einem Weg ist, seinen Rap-Idole zu verherrlichen.
00:22:01: Das seh ich auch, und deswegen würde ich auch sagen, das differenziert sehen.
00:22:04: Ich würde bloß diese Differenzierung auch ... Ein bisschen davon abhängig machen, was ist denn die Wirkung beim Publikum oder zumindest die vermutete Wirkung beim Publikum?
00:22:11: Für mich ist das deswegen eine wichtige Frage, weil es sehr interessante Uneinigkeit genau bezüglich des Drogenkonsumens gibt.
00:22:19: Mein erstes Stirnrünseln bei der Doku war schon, dass ich dachte, die Botschaft sei, so würde sie vielleicht draußen wahrgenommen, Wenn man bloß gut genug ist, ist alles andere egal.
00:22:28: Dann kann man auch Drogen konsumieren, man stürzt zwar ab.
00:22:31: Aber wenn man gut genug ist, dann ist das auch kein Problem.
00:22:34: Und jetzt gibt es eine interessante Gegenstimme.
00:22:36: Und zwar von jemandem, dem Bundesdrogenbeauftragten und CDU-Politiker Hendrik Streeck, der, das offenbar die gesamte Darstellung, was Drogen angeht in der Doku, sehr positiv fand.
00:22:48: Der hat gesagt, Zitat, einen Riesenrespekt an Eikot.
00:22:51: dass er seine Sucht so thematisiert und den Mut aufbringt, so offen darüber zu sprechen.
00:22:56: Die Szenen sind zwar heftig, aber auch berührend.
00:22:59: Es geht in der Doku eben nicht nur um den Konsum von Drogen, sondern auch darum, wie Drogen am Ende den Menschen konsumieren.
00:23:06: Anschließend sagt Hendrik Strick noch, dass er das deswegen gut fand bei Kokain, und zwar oft gerade auch Kokain, fatalerweise häufig verharmlost wird.
00:23:14: Also ich kannte das nicht.
00:23:15: Ich habe mich vor ein paar Monaten, als ich erfahren habe, dass Hendrik Strick der neue Drogenbeauftragte von Deutschland sich hat, mich so gefreut.
00:23:21: Ich fand, dass der in Corona teilweise so ... unterirdisch Kritik abbekommen hat, weil ich den, auch wenn manche Prognosen falsch waren, in vielen Bereichen wirklich interessant fand und interessant fand, was er machte.
00:23:32: Und ich finde es freut mich total, dass ein, muss man ja auch ehrlich sagen, CDU-gesandter Drogenbeauftragte so auf eine Dokur reagiert, weil sie, finde ich, auch und mir ging es auch so beim Gucken.
00:23:44: Ich fand nämlich genau das Gegenteil war der Fall.
00:23:46: Für mich war es nicht so, dass ich mir dachte, ab einer gewissen Größe darf man dann also alles machen, sondern... Du kannst so groß sein, wie du willst, wenn du ein Drogenproblem hast, dann machst du trotzdem ein Dein Umfeld und alles exakt gleich kaputt, weil deine Frau, die in einem schönen Haus lebt und vielleicht einen schönen Wagen fährt oder was weiß ich, Brüder, die auch von deinem Geld mit leben können, weiß ich jetzt nicht, es ist nur, hab ich jetzt gerade so gesagt, weiß nicht, ob das tatsächlich so ist, aber wahrscheinlich wird er ein Reichtum haben, wo er seine Familie mit unterstützen kann.
00:24:14: All das funktioniert trotzdem nicht.
00:24:17: All deine dich liebenden Menschen sitzen trotzdem weinend und vor einem Scherbenhofen da, wenn du dich für diesen Weg entscheidest.
00:24:23: Und ich fand, das kam in dieser Doku so gut rüber, dass ich mir dachte, er hat ja sogar sehr explizit davon erzählt, wie man das jahrelang machen kann und du jahrelang nicht checkst.
00:24:34: was gerade passiert.
00:24:36: Und dann, wenn du es checkst, ist es eigentlich zu spät.
00:24:39: Und diese Traurigkeit von das, was Henrik Streeck so gut zusammenfasst mit, da sieht man, wie jemand Drogen konsumiert, bis sie ihn konsumieren, das finde ich so akkurat und ich freue mich total, dass er das so sieht, weil man müsste, dass man hätte es ja auch ganz anders sehen können.
00:24:55: Und ich finde, das kommt in dieser Doku schon sehr deutlich rüber.
00:24:59: Ich finde, es ist keine Drogenverherrlichende Doku.
00:25:01: Und es gibt solche Erzählungen über Rapper.
00:25:03: Es gibt zum Beispiel einen Berlin-großen Rapper, der in einem ähnlichen Alter ist.
00:25:08: Ich möchte hier den Namen nicht sagen, ich weiß nicht, wie Justice Wabble das ist.
00:25:11: Aber ich habe bis jetzt so schlimme Geschichten über den gehört, auch öffentlich, von Ex-Frauen, die öffentlich mit den Zeitungen gesprochen haben, die selbst Drogen abhängig wurden wegen diesem Rapper.
00:25:20: und ist für trotzdem in der Weise romantisiert und verherrlicht, dass immer noch so ein Bild gezeichnet wird, das mit dem gut Kirschenessen ist und mit Kirschenessen ist so, ja, kiffen und, ach Gott, der ist halt ein bisschen lockerer drauf, ist doch lustig, ja gut, der mag das halt gerne.
00:25:36: Obwohl inzwischen auch bekannt ist, dass es nicht nur um Gras geht, sondern auch harte Drogen und da wirklich Missbrauch in der schlimmsten Weise stattfindet.
00:25:42: Und wenn ich mit das ... dass es das eben auch gibt, Charakter, wo das nur positiv berichtet wird.
00:25:47: Ich würde nicht sagen, dass das ganze Land jetzt auf Friede, Freude, Eier, Kuchen, Haftbefehlkurs ist nach dieser Doku.
00:25:53: Nee, das stimmt.
00:25:55: Ich möchte dann einen Aspekt mit reinbringen, den ich in mehreren Gesprächendiskussionen mit Menschen, mit Migrationshintergrund, türkischem Migrationshintergrund vor allem, geführt habe.
00:26:06: Und dieser Aspekt ist, ob das Bild dieses Aufstiegsversprechen, Haftbefehl immer irgendwie war für sehr, sehr viele Menschen.
00:26:15: Wir haben das schon angedeutet, ob sie das Aufstiegsversprechen durch die Doku kaputt gegangen ist, verstärkt wurde oder was damit passiert ist.
00:26:23: Also ich glaube wirklich, ich ... musste richtig weinen nach der Doku und ich war richtig fertig, weil für mich wirklich ein ehrliches Aufstiegsversprechen durch diese Doku kaputt gemacht wurde.
00:26:34: Und jetzt nicht durch die Doku, sondern natürlich durch das, was die Doku am Ende zeigt, nämlich du kannst es so sehr geschafft haben, wie du willst.
00:26:40: Du kommst trotzdem aus einem Milieu, in dem dich dann halt eine andere Sache auffrisst.
00:26:44: Und dieses Ding, dass du dann halt mit der traumatischen Kindheit oder was auch immer, der Halt, der ganze Erfolg und das Geld nicht den Schmerz, den man erlebt hat.
00:26:55: Das finde ich so traurig und ich weiß nicht.
00:26:59: Ich möchte mir richtig vorgenommen mit ganz vielen Menschen, von denen ich weiß, dass er für sie wichtig ist und sie vor allem eine Mikro-Geschichte haben, dass ich mit ihnen darüber reden will, wie sie das wahrgenommen haben und ob sie noch so an diesem Bild haftbefehl festhalten.
00:27:13: Weil ich mir vorstellen könnte, dass es nach der Doku nicht mehr so ist und man sieht, okay, wir dachten alle kurz, dass der es geschafft hat.
00:27:22: bis wir gesehen haben, dass er es auch wieder nicht geschafft hat.
00:27:24: Und dann ist es ja am Ende wie alle anderen Geschichten.
00:27:27: Man kriegt in Deutschland oft so ein gespieltes Gefühl von Teilhabe.
00:27:32: Das ist aber nicht ernst gemeint.
00:27:33: Das ist nicht ernst gemeint, weil am Ende die Erben und die Akademiker Kinder alle Plätze einnehmen, wie schon vorgewärmt wurden von ihren Eltern.
00:27:40: Und ich glaube, dass das sicherlich schaffenste Einige raus.
00:27:43: Aber hier geht es ja um ein Bild.
00:27:46: dass übertragbar sein sollte auf ganz viele Biografien für kleinere Kinder, Jugendliche, die das sehen und sich dann denken, ja, das ist der Grund.
00:27:54: Weiß ich nicht, ob man das ernsthaft sagen kann nach der Doku, wie gibt's dir?
00:27:57: Ich hab da eine Perspektive drauf aus dem Gespräch mit einem Freund, dessen Familie aus der Türkei stammt und der natürlich Haftbefehl auch immer so als ein Vorbild begriffen hat, aber durch so einen eigenen akademischen Hintergrund, der auch immer drauf geschaut hat mit einem Auge, das würd ich sagen, differenzierten Auge.
00:28:14: Tatsächlich ist, wenn man so drauf schaut, das ernüchternd.
00:28:18: Weil es nur noch wenige Leute würde ich unterstellen, schaffen, Haftbefehl auf die gleiche Art anzuschauen, als eine Art erstrebenswertes Aufstiegsversprechen oder ein Lebensweg, den man gehen kann.
00:28:31: Ich glaube schon, dass in dieser ganzen Diskussion einen Punkt, das ist jetzt so meine persönliche Perspektive, zu wenig vorkommt, den ich in meiner eigenen Familie erlebt habe.
00:28:41: Mein Vater kam ja aus Argentinien, wurde in Deutschland immer als Ausländer betrachtet, hatte hier keine Bildung.
00:28:47: Und diese Perspektive der eigenen Verantwortung, die ist eine, über die ich gerne kurz mit dir sprechen möchte, weil der Film in ganz vielen Facetten versucht, und das ist ein Kritikpunkt von mir, versucht.
00:29:01: die Verantwortung in andere Bereiche zu schieben als auf die Person selber.
00:29:07: Das geht ein bisschen dazu, dass man in diesem Film, obwohl das eine Doku ist, nichts ist gelogen, den Eindruck hat, er konnte nicht anders.
00:29:14: Er hat seinen Vater gefunden, wie er sich selbst getötet hat.
00:29:19: Er hat in vielen Bereichen eine superschwere Kindheit in Offenbach.
00:29:23: Er hat einen Kokainproblem, er hat mit der Bösenmusikindustrie zu kämpfen.
00:29:27: Es gibt viele Perspektiven, wo ich merke, Moment.
00:29:30: Wo ist denn die Verantwortung von ihm selber?
00:29:33: Na ja, und wo sind in dieser Geschichte die Erzählungen, die ich finde, so eine Geschichte auch verdient hätte?
00:29:39: Ich glaub, die gab es in dem Moment nicht.
00:29:40: Aber ich weiß noch, dass wir mal so einen Moment hatten, dass ich zu dir gesagt hab, Sascha, ich möchte, dass du noch mal überdenkst, wie du über deinen Vater hier im Podcast oder was heißt ich, bei mir, bei unseren Kindern sprichst.
00:29:53: Und wie wenig du deine Mutter erwähnst.
00:29:55: Weil deine Mutter ist die Person, die geblieben ist.
00:29:57: Deine Mutter ist die, die euch großgezogen hat, die nebenher noch ein Doktortitel gemacht hat, dann angefangen hat, tolle Stellen zu arbeiten, reisen zu machen, rufliche Reisen zu machen, eine Karriere hinzulegen, auf die andere wirklich vor Neid erblassen, während dein Vater eure Familie kaputt gemacht hat.
00:30:12: Und zwar nicht auf eine Weise, sondern auf hundert verschiedene Weisen.
00:30:15: Und trotzdem berichtest du immer von Sprichwörtern, von deinem Vater und was dein Vater da und dazu gesagt hat.
00:30:21: und dazu sagen würde, obwohl in meinem Empfinden deine Mutter der eigentliche Star deiner Familie ist.
00:30:28: Und ich dachte mir, als ich die Haftbefehldoku gesehen habe, wie schade, dass ihm anscheinend niemand das so gesagt hat, was ich dir über deine Mutter gesagt hat, weil die Mutter hat ja ... nahezu keine Rolle gespielt in dieser Doku.
00:30:41: Und selbst wenn man jetzt sagt, ich hab diese auch auf viele Tags gelesen, und da steht euch den Namen der Mutter in den Mund zu nehmen, vielleicht gab es Gründe, warum sie dazu nichts gesagt hat.
00:30:50: Ja gut, es ist ja eine offene öffentliche Dokumentation über eine Darstellung einer Familie.
00:30:55: Also man kann schon was zu den einzelnen Akteuren sagen.
00:30:58: Und selbst wenn die Mutter jetzt nicht irgendwie vor die Kamera hätte gehen wollen, es ist nicht mal ein Halbsatz drin.
00:31:04: dass die Mutter wahrscheinlich ja die Kinder dann weiter großgezogen hat.
00:31:08: Oder vielleicht auch nicht, weil man weiß es nicht.
00:31:10: Vielleicht hat die Mutter die Kinder noch mehr im Stich gelassen.
00:31:12: Das würde ich aber dann gerne hören.
00:31:14: Ich finde das ganz eigenartig.
00:31:17: So eine fast schon manische Fixierung auf den Vater, dann ja auch später innen, warum er jetzt so ein übler Mensch ist.
00:31:23: Das ist auch alles irgendwie der Vater, während da ja anscheinend eine Mutter da gewesen sein muss.
00:31:29: Dann im Übertrag auch auf seine Frau.
00:31:31: Da ist ein Haftbefehltsfrau, Nina, die da sitzt, und es ist kaum auszuhalten, finde ich in dieser Doku, wie man sieht, dass seine Frau ist, die offensichtlich diesen Mann bis in ihr eigenes Übel liebt.
00:31:45: Aber das finde ich über den Punkt macht, wo man Schwunz sprechen kann, ist es klug, das so zu zeigen.
00:31:51: Und was sendet man da, um vierzehnjährigen Mädels, die wahrscheinlich auch diese Doku sehen, raus?
00:31:56: Ich finde dieses ganze Bild von, man darf nicht gehen und es lohnt sich, am Ende zu bleiben.
00:32:00: Das stimmt nicht.
00:32:01: Und das sage ich als ein Kind, das auch in der Familie aufgewachsen ist, in der es harten Drogenmissbrauch gab.
00:32:08: Das stimmt nicht, dass man nicht gehen darf.
00:32:11: Was da in der Doku, finde ich, auch zu kurz kommt, ist das, was ... was ich bei meinem Vater erlebt habe, das ist Verantwortungstiffusion.
00:32:19: Will sagen, die Verantwortung, der Mut, sowas zu durchbrechen, was sonst sich über Generationen übertragen kann.
00:32:26: Weil es gibt eine Szene in der Doku, da habe ich Gänsehaut bekommen, da klopfen die Kinder an die Scheibe des Autos, was direkt vor dem Haus steht, von der Familie, wo offensichtlich der Vater komplett zugedrönt drin sitzt und er reagiert nicht.
00:32:40: In dieser Situation dachte ich, ist die Vorstufe von, man findet den Vater nach einer Selbsttötung.
00:32:48: Das wird auch so inszeniert.
00:32:50: Das ist schon gelungen, in dieser Dokumentation das so zu zeigen, dass hier eigentlich eine Horror-Story des Sohns eines völlig abseitigen Vaters das gleiche Muster an die nächste Generation überträgt.
00:33:04: Das ist gut gelungen, das zu zeigen.
00:33:06: Und was aus meiner Sicht nicht so gut gelungen ist, ist zu verdeutlichen, und zwar auch jungen Menschen, die das sehen, wie krass hier jemand nicht geschafft hat, die Muster zu durchbrechen und Verantwortung zu übernehmen.
00:33:17: Verantwortungstiffusion, die bis in die Bereiche reingeht, dass die Frau sagt, nee, natürlich liebe ich Eichhut, bloß Haftbefehl liebe ich nicht.
00:33:25: Das bedeutet, nicht Eichhut ist verantwortlich, sondern diese Kunstfigur Haftbefehle ist verantwortlich.
00:33:31: Das sind alles Mechanismen, die ich, wie gesagt, aus meiner eigenen Erziehungssituation, aus meiner eigenen Kindheits- und Jugensituation kenne.
00:33:37: Das sind Mechanismen.
00:33:38: wie man insbesondere als Mann und Vater die Verantwortung für das Handeln wegschiebt, dann ist es die harte Kindheit, dann ist es der eigene Vater, dann ist es die Drogen, dann ist es die Musikindustrie, dann ist es der Job, dann ist es irgendwas.
00:33:51: anstatt zu sagen, nee, ich durchbreche das Muster der Verantwortungsdiffusion, die immer irgendwo hinzuschieben, andere Leute haben Verantwortung und versuche selbst die Verantwortung zu übernehmen.
00:34:01: Ich finde, auch da kann man darüber streiten und sagen, ja, vielleicht wollte das genau, dass die Doku zeigen, dass da jemand im Stand ist, eine riesen Karriere aufzubauen, es überall zu schaffen.
00:34:09: Aber diesen letzten Schritt, so ein Muster, so ein familiäres Muster zu durchbrechen, kriegt er eben nicht hin und die ganze Doku zeigt, wie er das immer wieder nicht hinbekommt.
00:34:18: Mir geht es aber schon auch so.
00:34:19: Ich finde, als er sich bei mir sehr eingebrannt hat, war, dass er gesagt hat, Also so völlig uneinsichtig war, was den Drogenkonsum angeht.
00:34:27: Und solche Sachen sagten wie, hey, ich nehm seit, was hat er gesagt, fünfzehn Jahren Drogen.
00:34:32: Also Menschen tun mir schlechter als Drogen.
00:34:34: Das finde ich gerade im Hinblick auf, wir wissen, dass das irgendwie ganz viele junge Menschen sehen werden.
00:34:40: Das ist ja irgendwie so ein bisschen ... Dieses Helmut Schmidt hat auch ewig geraucht, Logik.
00:34:46: Da steht jemand, der seit fünfzehn Jahren hartes Kokain konsumiert und ist trotzdem noch am Start.
00:34:51: Das ist ein Bild, ich weiß nicht, ob das die Sternestunde der Dokumentation war.
00:34:56: Es hat aber das Mindset gezeigt, in dem er sich bewegt.
00:34:58: Das ist halt, ich kann mich auf diese eine Sache verlassen und diese nicht Menschen, sondern halt Drogen.
00:35:03: Kann sein.
00:35:04: Vielleicht geht es am Ende eben nicht darum, da jetzt ein größeres Bild drin zu sehen und irgendwie so eine Heldengeschichte draus machen zu wollen oder irgendwas draus machen zu wollen.
00:35:14: Ich finde es wirklich so brutal.
00:35:15: ehrlich, auch in der Unterhaltung ist es am Ende natürlich eine Unterhaltungsdokumentation, weil es nicht die klassischen Muster bedient.
00:35:22: Und trotzdem finde ich, gerade weil es eine öffentliche Dokumentation ist, es ist wichtig darüber zu diskutieren.
00:35:27: Und ich finde gerade diesen familiären Teil, weiß ich nicht, ob das eine gute Idee ist, an die scheibeklopfenen Kinder irgendwie abzufilmen, Meter hinter denen und vielleicht mit denen jetzt gleich live zu erleben, wie der Vater nicht mehr aufwacht oder wie der da in seiner eigenen Kotze liegt oder was auch immer.
00:35:43: Ja, das ist passiert.
00:35:45: Aber es ist schon, finde ich, auf eine Weise traumatisch, wo man jetzt sagen muss, ist es der Standard, den ganz Deutschland sehen sollte.
00:35:53: Und ab wann ist es ein Ergötzen an Leid, das nicht richtig sich anfühlt?
00:35:56: Und wenn wir das irgendwie bei Reality TV sagen, die ganze Zeit, wie schrecklich das ist, wieder irgendwie unter achtzehn jährige, was weiß ich, bei German Things Topmodel vor Kameras gezerrt werden und in Situationen gebracht werden, die unwohl sind.
00:36:08: Ich weiß nicht, wie cool das für die beiden Kinder ist, in zwanzig Jahren sich dazu zu äußern, dass sie in einem Umfeld aufgewachsen sind, indem sie konstant bewusst oder unbewusst mit harten Drogen zu tun hatten.
00:36:20: Es gibt eine Parallele, die ich selber gespürt habe, die aber auch ganz groß in der Diskussion ist.
00:36:26: Das ist mehrmals geschrieben worden in sozialen Medien, in redaktionellen Medien, dass die Doku im Prinzip, dass wir Kinder vom Bahnhof Zoo im Jahr twenty-fünfundzwanzig sei.
00:36:36: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo ist ein Buch von einer Frau namens Christiane F. Felcherino.
00:36:42: Hier sieht man, glaube ich, mit vollem Namen, was Anfang der Achtziger geschrieben wurde.
00:36:46: Später gab es auch einen Film.
00:36:48: Und wie Kinder von Bahnhof Zoo zeigt eine sehr junge, freien, junges Mädchen, wie es in diesen Drogensumpfereien schlittert.
00:36:55: Das ist deswegen eine gewisse Parallele oder könnte eine sein, weil es zum einen eine sehr große, breit rezipierte Drogensstory ist, auf der einen Seite.
00:37:03: Und weil er auf der anderen Seite relativ gut erforscht ist, und das ist gewisse gesagt der Punkt, den ich selber nachvollziehen kann.
00:37:09: Das ist, obwohl
00:37:10: ...
00:37:11: In radikalster Weise sind die Folgen von Drogenkonsum geschildert bei Wirkinder von Bahnhof Zoo.
00:37:15: Inklusive, dass jüngste Menschen auf den Straßenstrich gegangen sind, um Drogen irgendwie zu
00:37:20: bekommen.
00:37:21: Als Horror.
00:37:22: Es sind regelmäßig Leute gestorben.
00:37:23: Das wurde sehr offen geschildert von Christiane F. in diesem Buch.
00:37:27: Trotzdem hat das Buch dafür gesorgt, dass sehr viele junge Menschen dachten, ich will mal Drogen probieren.
00:37:34: ganz gut nachweisbar.
00:37:35: Ich habe es aus dem direkten Umfeld, wir haben das im Unterricht gehabt, wir Kinder von Bahnhof Zoo.
00:37:41: Aus dem direkten Umfeld war die erste Reaktion von sehr vielen Leuten, und wir reden hier von Menschen irgendwie so mit zwölf, dreizehn, vierzehn Jahren, dass sie dachten, oh, eigentlich würde ich gerne mal Heroin probieren.
00:37:51: Dass man am Ende ist es gar nicht so leicht zu sagen, wie muss man etwas darstellen, damit es abschreckend ist?
00:37:57: und wo ist eine Abschreckung, die eigentlich schon wieder Faszination bedeutet.
00:38:01: Und dann ... dazu führt, dass Menschen das auch machen.
00:38:03: Ich hab mit jungen Menschen gesprochen, ich war in einer Klasse mit Menschen, die gesagt haben, krass, hier wir Kinder von Bahnhof Zoo, krass, was dir erlebt, aber Heroin ist da die Hauptdruge, würde ich auch mal gerne probieren.
00:38:11: Ja, ich sehe diese Gefahren.
00:38:13: Ich finde es falsch.
00:38:14: Ich glaube, dass es nicht schwarz und weiß ist.
00:38:16: Ich glaube, dass es sein kann, dass es Menschen gibt, die sagen, der steht doch da jetzt noch seit fünfzehn Jahren oder was auch immer.
00:38:22: Ich möchte das mal, wenn der sein ganz Leben nach dieser Sache abhängig ist, dann möchte ich es mal probieren.
00:38:27: Aber jetzt sind wir auch wieder bei, was ist Lebensrealität?
00:38:30: Wenn man sich, und es kommt jährlich raus, diese Berichte, bei denen man sehr akkurat sehen kann, wie viel Drogen in der Stadt konsumiert werden aufgrund der Abwasser, die eben untersucht werden.
00:38:40: Und man kann dann eben rausrechnen, wie viel Drogen werden in welcher Stadt, in welcher Ausmaß konsumiert.
00:38:47: Da ist einfach Kokain in Berlin beispielsweise so weit vorn und so.
00:38:53: Populär in der Einnahme, dass ich sogar sagen würde, ist es nicht eigentlich eine ehrliche Doku über einen Zustand, den ganz viele Kinder leider jetzt schon erleben, weil es eben Lebensrealität für viele Kinder ist, dass sie einen Vater oder eine Mutter haben, die schwerst Drogen abhängig sind.
00:39:11: Da müssen wir auch nicht mal nur in verschiedene Gesellschaftsschichten reingucken, wenn man sich daran erinnert, dass auch Bundestagsabgeordnete, Ketamin, MDMA alles mögliche gekauft haben in den letzten Jahren.
00:39:22: Das sind Fälle, die in den Medien in den letzten Jahren verifiziert rumgingen.
00:39:28: Dann ist ja schon die Frage ist jetzt und ich würde sagen, wie wird in Deutschland Familie dargestellt, oft einfach so heile Familiengeschichte.
00:39:34: Wie viele Menschen gibt es dann aber, die trotzdem erzählen, ich bin in der Familie aufgewachsen, wo es irgendwie einen Drogenmissbrauch gab oder wo Gewalt eine große Rolle gespielt hat.
00:39:44: Dann ist es doch eigentlich fairer, wenn wir über auch Repräsentationen reden, das zu zeigen.
00:39:49: Und dann ist die Frage repräsentiert, ein Haftbefehl.
00:39:53: Das eben nicht nur musikalisch, sondern auch eine Lebensrealität.
00:39:57: in der Dokumentation, mit der Leiter überraschen viele Menschen was anfangen können, auch wenn es sich nicht schickt, dass es so ist.
00:40:04: Das stimmt.
00:40:05: Ich würde gerne eine kurze Studienlage zu einem angrenzenden Punkt bringen.
00:40:09: Was Drogenkonsum angeht, gibt es meines Wissens noch nicht eine tiefe wissenschaftlich zusammenhängende Erkenntnis dazu.
00:40:15: Das ist auch, glaube ich, etwas schwieriger festzustellen.
00:40:19: Was gut feststellbar ist, ist
00:40:21: ... wie
00:40:22: Berichte über Suizide, insbesondere bei denjenigen, die vulnerabel sind, als Folge einer Erhöhung der Selbstmordraten haben.
00:40:32: Das ist gut nachvollziehbar, das ist wissenschaftlich gut erforscht.
00:40:36: Und da gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die ich gerne in die Diskussion mit reinbringen würde, weil natürlich eine Dokumentation, wie du sagst, auch die Aufgabe hat, zu zeigen, wie es ist und nichts zu beschönigen.
00:40:47: Gleichzeitig kennen wir den sogenannten Werter-Effekt, der wissenschaftlich sehr gut ausgeforscht ist.
00:40:54: Da ist der Effekt besonders ausgeprägt, dass sich Menschen umbringen, nachdem über Suizide berichtet wird.
00:41:00: Wenn der Betroffene ein Prominenter ist, die Berichte sehr groß in den Medien sind, z.B.
00:41:06: eine große Schlagzeile oder im Fernsehen groß besprochen.
00:41:10: Und wenn es eine Ähnlichkeit zwischen den Betroffenen Und den Leuten gibt die diese Inhalte in den Medien sehen.
00:41:17: Sowohl was alter, als auch geschlecht, als auch Kultur angeht.
00:41:21: Und wir reden hier von einer Zunahme von Suiziden von über dreißig Prozent.
00:41:27: Das bedeutet konkret, in einem ähnlichen Bereich wird etwas beschrieben und hat eine messbare Folge auf genau die Leute, die es adressiert.
00:41:37: Und dann werden natürlich die naheliegende Frage, ist durch diese Doku ... Jetzt nicht auch die Situation entstanden, dass eine bestimmte Zahl von Menschen dieser Darstellung folgt.
00:41:49: Drogen nimmt anfängt zu denken.
00:41:52: Ich möchte das zumindest in die Diskussion einbringen.
00:41:53: Weil ich fand in diesem Bereich ein totales Erweckungsmoment in dieser Doku, als unter allem Haftbefehl und seine Brüder erzählt haben, wie viele Todesopfer es schon in der Familie durch Suizid aufgrund von Depressionen gab.
00:42:06: Dass es nicht nur eine Person, sondern vier oder fünf Personen waren im nahen Umfeld, Und ich hatte eigentlich in so einem Moment eher das Gefühl, das ist gut, dass Sie das sagen.
00:42:16: Und wie verrückt, dass es so ein hohes Aufkommen ist, weil das ja wirklich bedeutet, das weiß man ja inzwischen auch, dass das einfach erblich sein kann, Depression.
00:42:27: Und wenn da vielleicht eine so schwere Depression vorliegt, dass sie am Ende nicht nur so ansatzlos vererbt wird, sondern... eben in ihrer Schwere auch zum Tod geführt hat, nachweislich bei vielen Familienmitgliedern, dann kam man ja zumindest.
00:42:46: Also ich finde, das hat sich für mich nicht wie ein Entschuldigungsmoment angehört, für Wiederhaftbefehl, sondern eher nach, was ist, wenn der in der Sache ausgeliefert ist, die dann am Ende gar nicht so sehr mit der Mikrogeschichte und so zu tun hat, sondern einfach genetisch ist.
00:43:00: Und dann könnte man ja auch dagegen was tun, weil es gibt inzwischen Medikamente gegen Depressionen.
00:43:05: Es gibt Therapieansätze, bei denen man helfen kann.
00:43:08: Ich habe diese Woche einen Therapeuten länger zugehört, lustigerweise Migra Psychiater von der großen Praxis, der all das erzählt hat und er in der Empathie erzählt hat, indem man gemerkt hat, Haftbefehl ist ihm nahe, ohne dass er ihn kennt.
00:43:23: Er hat ganz klar gesagt, dass die sich noch nie begegnet sind, die sich nicht kennen.
00:43:26: Da ist eine Empathie für diese Geschichte.
00:43:29: Da ist jemand, der auch ganz klar sagt, es ist ein Milieu, das nicht aufgeklärt ist, was solche Fälle angeht.
00:43:34: Die haben nichts gehört davon, dass sich tiefe Depressionen vererben lassen und dass man dagegen wirklich was tun kann.
00:43:41: Und das ist kein Milieu, die denken, dass eine Therapie tatsächlich helfen kann.
00:43:46: Kann sie aber.
00:43:47: Und diese Bildung an Mann zu bringen und den Menschen zu zeigen.
00:43:51: Ihr müsst damit nicht alleine sein und ihr geht nicht komplett crashout, weil ihr eigenartige Menschen seid, sondern weil ihr eine lebensbedrohliche Krankheit habt.
00:44:00: Das fand ich sehr eyeopening und ich fand auch, die Doku hat diesen Moment sehr gut eingefangen.
00:44:05: Ja, ich muss mich richtig zwingen, weil die Doku ergreifend ist und die Person, glaub ich, auf sehr, sehr gute Weise zeigt.
00:44:13: Ein Fast, also man hat das Gefühl zumindest, dass ... Haftbefehl sehr präzise porträtiert ist und dass man ihm sehr nahe kommt als Mensch.
00:44:23: Ich muss mich recht zwingen, das differenziert zu betrachten, weil sie gut ist, handwerklich ist sie meisterhaft, das kann man nicht anders sagen.
00:44:30: Sie hat in einer Vielzahl von Erzählungen auch so ganz zarte Andeutungen von dem, was vielleicht auch noch wichtig gewesen wäre.
00:44:37: Und trotzdem möchte ich mit dir ein bisschen auch über die Auslassung sprechen, weil das Auslassungen sind, die auch Davon haben wir oft geredet in deinem Deutschrap-Hintergrund.
00:44:45: Auslassungen, die auch im Deutschrap relevant sind.
00:44:48: In der bestimmten Form von Sexismus, bestimmte Formen von Antisemitismus, Vorwürfen, Gegenhaftbefehl.
00:44:53: gesellschaftlichen Diskussionen, die im Deutschrap wichtig sind und die da aber komplett ausgelassen worden sind.
00:44:58: Was ist denn da deine Haltung?
00:45:00: Also diese
00:45:00: Woche gab es jetzt plötzlich, diese Forderung war groß, die ich kann nicht verstehen.
00:45:04: Ich würde auch grundsätzlich sagen, ich bin auch dafür, dass Haftbefehl in der Schule in irgendeiner Weise Thema ist.
00:45:09: Die haben jetzt ja nicht gesagt, lass uns alle anderen Fächer skippen und nur noch Haftbefehl als Thema haben in der Schule, sondern es ging um den milden Vorschlag, den beispielsweise im Musikunterricht dranzunehmen und dann Rhythmen zu bestimmen.
00:45:21: Herrlich gesagt, in meiner Schulzeit wurde das schon gemacht in der Schule.
00:45:23: Ich folge voll vielen LehrerInnen auf Instagram, die genau das schon alles tun.
00:45:28: Klaro, ich finde es auch richtig und wichtig, dass es ja nur mal ein Unterschied, ob LehrerInnen das freiwillig tun oder ob das im Lehrplan als Pflichtprogramm drinsteht.
00:45:36: Ich finde, das fände das gut.
00:45:38: Ich habe aber ehrlich gesagt nicht verstanden, warum das Bildungsministerium sich nicht wenigstens so tief in die Sache eingearbeitet hat, dass sie valide Argumente, weil ich finde, die gibt es gegen Haftbefehle als Pflichtunterricht in der Schule, vorgebracht hätten.
00:45:50: Weil sie haben das nur abgewiesen, aber man hätte ganz klar sagen können, es gibt berechtigte Kritik einem Antisemitismus in seinen Texten, das möchten wir in Deutschland mit der deutschen Geschichte noch viel weniger als Pflichtprogramm im Unterricht haben.
00:46:03: Das wäre doch ein Argument, wo man sagen würde, okay, klar.
00:46:07: Das kann man sehen.
00:46:07: Sexismus, okay.
00:46:09: Das muss man sagen, im Deutschrap verändert sich langsam, aber Sexismus ist schon immer ein riesen Thema, wenn wir jetzt bei allem mit der Lupe rangehen und bei jeden Punkten sagen.
00:46:19: Wenn der Anschein eines menschenverachtenden Weltbildes da ist, darf das nicht stattfinden.
00:46:24: Dann frage ich mich schon, ob jetzt irgendwie Goethe und Schiller, ob das die größten Feministen waren oder ob wir die Texte da anerkennen und sagen, die Texte sind genial, wie die mit Frauen umgegangen sind.
00:46:34: Das ist erst mal auch zweitrangig.
00:46:37: Ich finde, man muss das nicht machen.
00:46:38: Man muss nicht so einen super eng moralischen Wertemaßstab an diese Entscheidung ranlegen.
00:46:47: Aber ich finde, es gibt absolut valide Argumente gegen Haftbefehl in den Schulen, nur wenn diese Diskussion nicht aufgemacht wird, sondern man im Vorhinein sagt, man tut es nicht, dann muss ich ehrlich sagen, ich finde es falsch.
00:47:00: Und ich finde es sogar in der Entscheidung falsch, das nicht trotzdem zu tun, weil es ist doch auch gut, wenn man über was diskutiert.
00:47:07: Man kann ja auch so über Antisemitismus diskutieren.
00:47:09: Definitiv.
00:47:10: Ich finde, dass man auch hier wieder in dieser Diskussion differenzieren kann und muss vor allem, weil die Diskussion schon mal geführt worden ist, und zwar in den Antisemitismus in älteren Texten von Haftbefehl.
00:47:20: In den Antisemitismus wurde ein Lied, pst, hieß das, zu einem Teil in einem Tatort gespielt.
00:47:27: Und in einem anderen Teil, der nicht in dem Tatort gespielt wurde, Er kommt
00:47:31: von
00:47:32: diesem Lied die Textzeile vor, ich ticke Kokain an die Juden von der Börse.
00:47:37: Das ist damals in einer sehr großen Debatte rumgegangen, wurde intensiv diskutiert, sodass Haftbefehl selbst damals schon sich dazu geäußert hat.
00:47:46: Und er hat versucht zu verdeutlichen ... Ich zitiere, ich bin kein Antisemit.
00:47:51: Ein Aspekt des Antisemitismus ist die Gleichsetzung von Judentum und Geld, die ich für falsch und dumm halte.
00:47:57: Ich verstehe uns sehr ein, dass bei Vorurteilen gegenüber Juden und anderen Minderheiten besonders in diesem Land jede Aussage auf die Goldwaage gelegt werden muss.
00:48:05: Die Goldwaage aber ist ein sehr feines Instrument.
00:48:08: Das ist ein Zitat, was er damals dazu gebracht hat in einem Statement.
00:48:12: Er hat auch noch ein paar andere Sachen gesagt, wo man diskutieren kann, weil er meinte, das sei aus seiner Zeit, als er Selbstdrogen vertickt habe.
00:48:20: Er hat auch der Leinstren wie Rothschild Theorie.
00:48:23: Jetzt wird er mordet.
00:48:24: Das ist eigentlich der Einstieg einer seiner berühmtesten Songs.
00:48:27: Ich finde, man kann das absolut berechtigterweise diskutieren.
00:48:31: wird ja gerade gar nicht diskutiert, sondern ich habe das diese Woche in keinem Statement gesehen, sondern ich habe das Gefühl, die Leute wollen sich so halbgar mit Haftbefehl auseinandersetzen.
00:48:39: Und das ist halt das Ding, glaube ich, dass es die Erfolgsformel war, wo so viele Mikros sich so sehr auf ihnen einigen können.
00:48:46: Man merkt diesen weißen deutschen Bildungsbürgertum an, dass ihnen irgendwas an dieser Person nicht passt.
00:48:53: Und deswegen wollen sie den nicht im Unterricht haben.
00:48:55: Und deswegen wollen sie nicht, dass man viel über den Rede tut oder dass der plötzlich in der Weise glorifiziert wird, in der ihre Vorbilder glorifiziert werden.
00:49:02: Und da würde ich sagen, wenn, und das hat Haftbefehl schon immer geschafft, da so ein bisschen Salz in die Wunder zu streuen, wenn das gerade passiert und in den Kursen passiert, finde ich, ist das richtig und wichtig, obwohl man ihn berechtigterweise, finde ich, Leins bis heute vorwerfen kann, zu denen er sich auch nicht immer so geäußert.
00:49:20: Das ist eine seiner Sternstunden.
00:49:22: diese Äußerungen, finde ich auch, aber es gibt auch völlig andere Äußerungen, wo ich möchte das jetzt nicht aufmachen, weil ich wirklich Ich bin mir nicht ganz sicher, wie viel Kritik Mensch aushält nach jetzt irgendwie in der Woche, die super hart ist.
00:49:34: Ich finde, man muss jetzt auch nicht vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen.
00:49:37: Aber, dass es zumindest diskutiert wird, fände ich wichtig.
00:49:40: Und das wurde es nicht diese Woche.
00:49:42: Die SchülerInnen wurden einfach abgewatscht und das finde ich nicht richtig.
00:49:46: Ich würde gerne so auf der Zielgeraden auch dieser ganzen Debatte, die ich sehr, sehr wichtig finde, auch wenn ich sie verbogen ist an vielen Punkten, würde ich dir gerne eine Frage stellen, wie muss man sich denn ... wenn man in zwanzig, in fünfzig, in hundert Jahren über Haftbefehl und deutsche Kultur spricht.
00:50:03: Wie muss man sich das vorstellen?
00:50:05: Ist der ein Klassiker?
00:50:07: Ist der ein Phänomen?
00:50:09: Ist der eine Ikone?
00:50:11: Wie kann man das versuchen, zu greifen?
00:50:14: Was bedeutet nicht nur aus migrantischer Perspektive, sondern eben auch für insgesamt?
00:50:19: Deutschrap ist die meist gehörte Kulturform in Deutschland gegenwärtig.
00:50:23: Wie muss man sich ... Das Vorstellen, wie wird in zwanzig und dreißig Jahren über Haftbefehl geredet werden?
00:50:28: Also, es gab vor ein paar Jahren mal,
00:50:30: z.T.,
00:50:32: eine Analyse vom Bayerischen Rundfunk, die jeweils sechzehntausend Wörter aus den neuesten Liedern mehrerer deutschen Musiker verglichen haben.
00:50:41: Zudem wurden die Texte in Relation gesetzt zu Goethe's Werk Faust I, wobei hier die ersten sechzehntausend Wörter genutzt wurden.
00:50:48: Und da ist halt herausgekommen, dass Goethe was den Warshots angeht, diese Liste nicht anführt, sondern es ist halt einen eher unbekannten Rapper, in der Rap-Szene ist er aber ein großer Rapper, Morlock Dilemma ist der Rapper, der diese Liste anführt und auf Platz zwei und drei folgen Kollege und Goethe.
00:51:08: Und auch Haftbefehl ist in dieser Liste drin.
00:51:10: und da muss man dann halt sagen, okay, wer sind die Dichter und Denker der heutigen Zeit?
00:51:16: Und es gibt irgendwie diesen ... Lustigen Witz im Deutschrap, dass man sagt, die Dichter machen es wegen des Geldes und die Rapper machen es wegen dem Geld.
00:51:26: Aber ich glaube, dass man schon Dichter und Denker aus der heutigen Zeit, also einen Goethe oder einen Schiller, mit einem Kollege oder einem Haftbefehl gleichsetzen kann.
00:51:35: Weil wer wurde damals, also von wem wurde Goethe und Schiller konsumiert, von der Jugend, die sich hat anstecken lassen, Sturm und Drang.
00:51:41: Wir sind jetzt ganz anders.
00:51:42: Oh Gott, wir leiden alle so sehr maßenweise Menschen, die sich umgebracht haben wegen die Leidenden des jungen Werters.
00:51:48: Also ein Phänomen, das in der Gesellschaft und vor allem bei jungen Menschen Anklang gefunden hat.
00:51:53: Heute ist es, tut mir leid, Julia Engelmann oder wen es gerade so an Dichtern und Denkern gibt.
00:51:58: Richard David Precht führt nicht.
00:52:01: die Trends der jungen Menschen an, sondern es ist eben ein Haftbefehl.
00:52:04: und deswegen glaube ich, kann man das schon gleichsetzen und es ist nicht größenwahnsinnig.
00:52:08: und ich glaube deswegen und ich würde mir auch wünschen, dass in hundert Jahren mit dem nötigen Respekt auf eine Sache gesehen wird, die ja teilweise zu Goethe und Schillers Lebzeiten auch nicht mit dem Respekt behandelt wurde, sondern es wurde irgendwann dann größer und größer und je länger sie tot waren, desto größer wurde es.
00:52:26: Ich würde mir irgendwie wünschen, dass ein Haftbefehl das tatsächlich noch miterlebt.
00:52:31: Ich bin mir nicht sicher, wenn man diese Doku sieht, wenn man auch in der Doku einen schon nicht mehr lebenden Ratat sieht, soll jetzt auch bald eine Doku über ihn geben.
00:52:39: Dann ist halt am Ende die Frage, so wenn dieses Aufstiegsversprechen genau so lange gilt, bis die Person stirbt und es deutlich früher ist als bei allen anderen Personen, war es dann wirklich ein Aufstiegsversprechen.
00:52:49: Ich glaube es nicht, aber ... Zumindest finde ich es richtig, diese Menschen bis zu einem gewissen Punkt, als die Helden Einflussfaktoren einer jungen Generation zu respektieren, die sie sind.
00:53:01: Wie geht es dir?
00:53:02: Ich habe auch durch dich, aber eben auch weil du mir erklärt hast, was dahinter steht und wie das funktioniert, eigentlich dazu gefunden, dass hier eine Form von Kultur weiter Entwicklung passiert, die es immer wieder gab und die wir im Nachhinein so als Klassik oder als klassische Kultur oder als ernsthafte Kultur auch ein bisschen verklären und verherrlichen, dass ja eigentlich etwas passiert mit Kultur des berührt Menschen, und zwar die Menschen, die dort draußen auf der Straße sind, die Jugend, die Leute, die über soziale Medien Öffentlichkeit erleben und wahrnehmen, dass ja eigentlich etwas ganz Grandioses, etwas eher Erfurchtvolles passiert, weil ... Hier sich entscheidet, wie in den nächsten Jahren diese Generation sich entwickelt.
00:53:47: Welche Antennen haben Sie?
00:53:49: Welchen Blick auf die Gesellschaft haben Sie?
00:53:50: Auf das eigene Leben, was nehmen Sie wahr und was nehmen Sie nicht wahr?
00:53:54: Und insofern finde ich, das Haftbefehlen sehr guter Gradmesser.
00:53:58: Dafür ist, wie tief berührt Kultur Menschen.
00:54:02: Und die Doku hat mir gezeigt, extrem tief.
00:54:05: Viel tiefer, als ich das von anderen Kulturformen sehe.
00:54:09: Für mich ist deswegen ... Das, was mit dieser Dokumit schwingt, auch noch mal eine ganz eindeutige Botschaft, dass so wie heute in der deutschen jungen Öffentlichkeit die Welt wahrgenommen wird.
00:54:22: Das hat sehr viel mit Deutschrap zu tun, das hat sehr viel mit dieser Musikform und vor allem mit der deutschen Sprache zu tun, weil deutsche Sprache die Sprache, die dort in der gerappt wird.
00:54:33: Das ist so eine unfassbar wichtige Funktion und Haftbefehl ist auf seine Weise so ein ... absoluter Meister in der Verwendung von Sprache, bis hin dazu, dass die Tragik, die immer in großen Kulturleistungen liegt, so offensichtbar wird bei Menschen.
00:54:46: Deswegen finde ich, dass die Doku zeigt, ja, das ist vollkommen richtig, die in eine Reihe zu stellen.
00:54:51: Ich weiß ja nicht, ob man das mit Goethe, weil es so ein Ausgelutschtheitskomponente damit drin ist, aber dass der in allerersten Liga-Riege derjenigen ist, die deutsche Kultur prägen und das über Jahrhunderte getan haben werden, das ist für mich auch eine Erkenntnis aus dieser Dokumentation.
00:55:07: Eine Sache, die mir diese Woche ein bisschen zu kurz kam, die für mich immer ein Dilemma im Deutschrap war, es war so ein stetiger Vorwurf bei mir, dass wir gesagt haben, du gehörst ja nicht dazu, du bist nicht von hier, du bist nicht für eine von uns.
00:55:17: Und das stimmt, ich bin in Südstadt auf dem Dorf aufgewachsen, ich komme nicht vom Block.
00:55:23: Ich fand immer ein Blickhabend in die Szene, dass sehr wenige Menschen da wirklich aus diesem Block haben.
00:55:28: Ich fand es interessant, wie viele irgendwie von Guwabin das Streets gesprochen haben und damit irgendwie dieser Spielteppich gemeint, das auf dem die Straßen aufgezeichnet sind und nicht irgendwie die harten Streets, zumindest von den größeren Rappern.
00:55:39: Dieses Dilemma, das oft Gangster-Rap in Deutschland versucht wird, mit amerikanischem Gangster-Rap gleichzusetzen und amerikaner Innen dazu gezettelt, in letzter Zeit auch das sind ganz unterhaltsame YouTube-Videos, wie dann Leute so lachen müssen.
00:55:52: die wirklich in den Gangster-Rap aus Amerika kennen.
00:55:56: Und dann erzählt man denen, dass hier in Deutschland die Schwarzen eigentlich so Türken und Arabs sind.
00:56:03: Und weil es hier keine Waffen gibt, hört man zum Beispiel Ad-Libs in Rapstracks.
00:56:08: Das ist das, was so ... Im Hintergrund mal so kurz aufklickt oder so, was halt in Amerika?
00:56:12: dann so, wenn jemand rappt, dann klickt mal kurz so ein Waffen, so eine Waffe, die entsichert wird auf.
00:56:17: Und in Deutschland sind das halt so Boop, Boop, AdLibs oder so.
00:56:19: Ich schieß dich ab, Päon, Päon.
00:56:21: Und Amerikanerinnen sagen, so klingt keine Waffe, aber die haben halt keine Vorstellungen, wie Waffen klingen, weil das nicht ihr Daily-Business ist.
00:56:28: Das ist zum Teil so.
00:56:28: das Problem ist, aber es gibt einen Teil, wo das ... trotzdem Thema ist und das sehen wir jetzt irgendwie bei einer Sherin David, auf deren Büro diese Woche geschossen wurde.
00:56:37: Sogar die FAZ und der Spiegel berichten darüber wie folgt, es ist sehr zwiegespalten, was da passiert sein soll.
00:56:44: Weil zum einen kursiert die Theorie, das eigene Lager auf das Büro habe schießen lassen, um in den Medien aufzutauchen.
00:56:52: Weil wieso wird sonst so schnell die Bildzeitung alarmiert?
00:56:56: Woher weiß man überhaupt, dass das Büro von Shirin David ist?
00:56:58: Die war ja offensichtlich nicht da.
00:57:00: Also alles so Sachen, wo man gerade denkt, ja, das könnte inszeniert sein.
00:57:04: Das könnte aber genauso gut nicht inszeniert sein.
00:57:06: Und das ist, finde ich schon immer, das war mein größtes Problem am Deutschrap, dass ich teilweise mit Leuten zu tun hatte, die haben nur so getan, als seien sie hart.
00:57:15: Und dann saß ich aber manchmal auch in Interviews Leuten gegenüber, wo ich wusste, die sind genauso hart oder es vielleicht nicht wusste und dann irgendwie mit der Zeit erst mitbekommen hab.
00:57:23: Und die so abgefakt aufgewachsen sind, dass man sagt, die unterscheidet nicht viel von der Lebensrealität, von dem Gangster in Amerika.
00:57:31: Die haben Waffen, die haben Drogen, die haben irgendwie Senator Mafia verwandelt.
00:57:37: Da gibt es Leute, mit denen ist dann nicht gut Kirschen essen.
00:57:40: Und ich ... Ich bin immer wieder überrascht, wie desillusioniert über diese Szene gesprochen wird, als sei das einfach nur noch so eine Industrie.
00:57:48: Und als könne man sich da mit den Menschen an den Tisch hinsetzen und kann sagen, guck mal, Eikot, pass mal auf.
00:57:53: Also, wenn du jetzt so hart rumkonsumierst, dann würdest du jetzt erst mal nichts mehr mit einem neuen Vertrag, als wäre das eine Welt, wo man so miteinander sprechen kann.
00:57:59: Und auf der anderen Seite frage ich mich aber schon auch, muss man diesem Gangster gehabt haben, mit Gangster gehabt haben, mit so einer Ernsthaftigkeit begegnen?
00:58:08: Oder kann man ab einem gewissen Punkt sagen, Leute, wir sind hier in Deutschland, Hört man auf mit dem Scheiß?
00:58:15: Das ist jetzt gerade so ein Inszenierungsquatsch, der ist Quatsch.
00:58:17: Ich weiß es nicht.
00:58:18: Du siehst es bei diesem Beispiel von Kirin David.
00:58:21: Also das eine wäre lächerlich und das andere wäre schlimm.
00:58:23: Was für welche Wahrheit entscheidet man sich jetzt?
00:58:25: Ich finde, zum Abschluss können wir auch über diesen Übertrag sprechen, der vielleicht auch nur mit Haftbefehl funktioniert, der zwischen dieser krassen Gangsterwelt, die du beschrieben hast, aber den deutschen Eigenheiten, der Kultur in Deutschland wirkt, was mich ... beeindruckt hat, ist eine kurze Mitteilung von Haftbefehl selbst auf Instagram, der über Reinhard May gesprochen hat.
00:58:49: Reinhard May spielt insofern eine wichtige Rolle in der Doku, als dass sein Song in meinem Garten in absolut unglaublich berührender Weise in dieser Doku vorkommt.
00:59:02: Als Haftbefehl im Prinzip komplett am Ende ist, singt er diesen Song von Reinhard May in meinem Garten.
00:59:09: und Nicht nur, dass der Song daraufhin sofort in die Charts gekommen ist, sondern die mehrschichtige Bedeutung von diesen Zeilen auf Deutsch natürlich auch geschrieben, Reinhard Leitmeister, also der Überliedermacher, inzwischen über achtzig Jahre alt in Deutschland.
00:59:25: Haftbefehl schreibt dazu, ich zitiere von Instagram.
00:59:28: Was mich besonders berührt hat, ist die anfängliche Skepsis im Team von Reinhard May.
00:59:32: Sie zögerten an meiner Dokumentation teilzunehmen.
00:59:34: Verständlich, denn was sie zuvor im Netz über mich fanden, weckte wohl eher Zweifel als Vertrauen.
00:59:39: Doch gerade deshalb erfüllte es mich heute mit umso größerer Freude, dass Reinhard May nach dem Säden der Doku persönlich zu mir fand.
00:59:47: Mir schrieb und mir damit etwas gab, dass tiefer geht als Zustimmung.
00:59:51: Eine stille, ehrliche Bestätigung.
00:59:54: Dass man dem Menschen hinter dem Bild, den Künstler hinter den Schlagzeilen erst wirklich verstehen sollte, bevor man sich einen Urteil erlaubt.
01:00:01: Und da war diese deutsche Kultur rein, hat.
01:00:04: Mai schlägt eine Brücke zu der neuen deutschen Kultur von Haftbefehl.
01:00:08: Da war so viel drin, fand ich, was ich dann eben auch gespürt habe, dass allein dafür sich das alles gelohnt hat.
01:00:17: Ich glaube, das war das Berührende an der Dokumentation, dass man eine überraschende Kontinuität gesehen hat.
01:00:23: Dass man eine überraschende Weiterentwicklung von diesem ganzen Land gesehen hat.
01:00:28: Mit allen Ambivalenzen, mit allen Zweifeln, mit allen komischen Situationen, mit allen dunklen Seiten, mit allen kritikwürdigen Seiten.
01:00:35: Definitiv.
01:00:35: Das war für mich eigentlich mit dieser kurzen Reinhard May-Episode, was mir dann wieder ein bisschen Hoffnung gegeben hat.
01:00:43: Auch obwohl sie die Dokumentationen ... Du hast direkt danach geweint, hast du gesagt, schon noch sehr, sehr dark ist.
01:00:49: Leute, das waren unsere Gedanken zu Haftbefehl, zu den Vorschlägen, ob das jetzt Thema in der Schule sein sollte, warum, warum nicht.
01:00:56: Ich freu mich, wenn ihr mitdiskutiert auf Instagram oder Campfire, könnt ihr uns schreiben, freuen wir uns sehr, ansonsten hören wir uns diese Woche dann zu unserer zweiten kleinen Folge zu der Bürgerreister-Wahl in New York.
01:01:07: Vielen Dank fürs Zuhören, macht's gut, ciao, ciao.
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